Insektenfunde aus dem Serpulit des Osnabrücker Berglandes

 Eine wissenschaftliche Bearbeitung der Fossilien fehlt noch!

 

Die klassischen Aufschlüsse, wie Steinbrüche und Tongruben im Osnabrücker Raum, sind in den letzten Jahrzehnten deutlich weniger geworden. Dieses gilt ganz besonders für Aufschlüsse im Serpulit. Der Serpulit ist die tiefste Zeitstufe der Unter-Kreide und bietet mit seinen Fossilien einen Einblick in ein längst ausgestorbenes Ökosystem. Somit fällt diesem, lokalbegrenzten Aufschluss hier im Osnabrücker Raum, eine ganz besondere Rolle zu. An der Grenze vom oberen Jura zur Unterkreide öffnen diese Gesteine ein Fenster der Erdgeschichte. Hier treten marine und nicht marine Schichtenfolgen auf, die den Kenntnisstand zu den Kohleflözen des Berrias erweitern.
 
  
 
Stratigraphie, Bio-Lithofazies und Übersicht
Stratigraphie, Bio-Lithofazies und Übersicht der frühen Kreide
 
 

Das Ökosystem

Europa liegt vor 150 Mill. Jahren in weiten Teilen noch Unterwasser verborgen und ist quasi noch eine Inselwelt. Mit dem Rückzug des Meeres am Ende des Ober-Jura in die Unter-Kreide, entstand so auch das Niedersächsische Binnenmeer. Dieses gehört zum London-Brabant Massiv, es reichte von England im Westen bis nach Sohlnhofen im Süden und im Norden verband nun die Pompeckj’schen Schwelle zwei Landmassen. Dazwischen das neu entstandene Niedersächsische Becken. Es erstreckte sich in Ost-West Richtung mit einer Länge von 280 km und einer Breite von ca. 100 km.

 

Niedersächsisches Becken im Berrias

Dieses isolierte Nebenmeer ist mit der heutigen Ostsee vergleichbar. Nördlich wurde das Becken von einer Landmasse aus Sandstein begrenzt, an der südlichen Küste lag das Rheinische-Festland (Mitteldeutschen Schwelle), bestehend aus paläozoischen- und mesozoischen Ablagerungen. Im Westen lag die Ostniederländische-Insel, bestehend aus Triassandsteinen und Juratonen die auch komplett der Meerestransgression während der gesamten Unterkreidezeit zum Opfer fielen.

Vor 166 Millionen Jahren, während des Mitteljura kam es im Porta Raum zu heftigen Sandschüttungen (Cornbrash-Sande). Nördliche Flüsse vom Cimbrischen Festland luden ihre Sandfracht bis ins Weserbergland ab (BININDA, 1986). Umher stapfende Dinosaurier hinterließen schon im Bathonium und später im Callovium ihre Fußspuren im Schlick des damaligen Flussdeltas.

Zu Beginn des Oberjura (Oxfordium) änderten sich die Transportwege. Sande wurden nun aus südlicher Richtung ins Binnenmeer transportiert. So wurden zur Ablagerungszeit der Heersum-Schichten, Sande abgeladen aus denen später der Wiehengebirgsquarzit entstand. In ihm findet man besonders viele Pflanzenfossilien die auf ausgedehnte Nadelwälder hin deuten, sogar Insekten-Reste wurden in tonigen Linsen des Wiehengebirgsquarzites gefunden (SCHULTKA, 1991).

Immer wieder kam es neu zur Ablagerung von Sedimente mit marinen Organismen. Ein mäanderndes Flusssystem hinterließ vor 155 erneut seine Sandfracht. Davon zeugen die Sandsteine von Barkhausen mit seinen Saurierspuren. Dieses Flusssystem hinterließ während des gesamten Oberjura seine Sandfracht entlang der Südküste des Niedersächsischen Beckens. Dabei verlagerten sich auch die Schüttungen, während der gesamten Zeit von West nach Ost, also vom Oxfordium bis ins Berrias hinein.

Aber wie sah es im Osnabrücker Raum eigentlich aus?

Im Oberjura Oxfordium und Kimmeridge gehörte der Osnabrücker Raum noch zu einer Insel. Der nördliche Teil war Bewaldet und im Süden erstreckte sich ein tropisches Flachmeer. Getrennt durch einen Bergrücken, der gleichzeitig auch eine Wetterscheide bildete, waren auf der nördlichen Seite auch höhere Niederschläge als im Süden. Der Süden hatte immer wieder mit Trockenheit und Dürren zu kämpfen, dafür erblühte das Leben in dem Jura-Meer. Diese Insel wurde vor 156 Mill. Jahren von kleinwüchsigen Sauropoden, wie dem Europasaurus holgeri und Raubsauriern, besiedelt. Was die Saurierspuren in Barkhausen (Bad Essen) deutlich zeigen.

Doch während des Tithonium änderte sich alles. Der Meeresspiegel sank um ca. 150 Meter. Das hatte Folgen für das gesamte Ökosystem zu jener Zeit. Mehrere Inseln verbanden sich nun mit dem Festland im Norden. Weitläufige Sumpfgebiete entstanden, im Süden begünstigte die Verflachung das Korallenwachstum. Riffe aus Schwämmen und Korallen breiteten sich im Jura Meer aus. Großsaurier wanderten in Gebiete, rund um das neu gebildete Niedersächsische Becken, ein.

Durch eine Schwellenbildung im Weser Raum (KLASSEN, 2014), viel vor 152 Mill. Jahren der westliche Teil des Niedersächsischen Beckens, trocken. Doch zunächst kam es zu einer schlechteren Versorgung mit Meerwasser, was dann zur Eindampfung des Meeres und zu einer Hypersalinität in tieferen Wasserschichten während der Ablagerungszeit (Münder-Mergels) führte. Auch hier im Osnabrücker Raum bildete sich eine 30 cm mächtige Schicht aus Stromatolithen, diese sind auch aus der Hilsmulde bekannt.

Mit Beginn des Serpulit, vor 147 Mill. Jahren, bildete sich eine großräumige Lagune aus. Nach und nach ließen die Meereseinbrüche nach und es kam zur vollständigen Aussüßung dieser Lagune. Was dann vor 143 Mill. Jahren in dieser Ebene zur Bildung eines riesigen Sumpfwaldes führte. Seine Flora bestand hauptsächlich aus typischen Pflanzen die an ein Leben über Monate im Wasser gewöhnt waren. Es handelte sie um Koniferen, Verwandte der Sumpfzypressen (Protocupressinoxylon) aber auch  Wasserfarne, Baumfarnen, Bennettitales und Cycadeen. An den Wasserrändern wuchsen Schachtelhalm-Dickichte und es standen Ginkgo-Bäume vor allem entlang den Wasserläufen.

 

 

Pflanze
Eine Auswahl an pflanzlichen Fossilmaterial
 
 
Pflanze
 
 

In der Ebene des Osnabrücker Raums breiteten sich zu verschiedenen Zeiten mehrere Sumpfwälder aus. Extreme Meereseinbrüche führten mehrfach zur Auslöschung dieser Wälder und zur Überdeckung mit Sediment. Heute kennen wir vier Kohleflöze die von Bielefeld bis Bohmte (OS) nachgewiesen sind.

Dieser Sumpfwald hatte mit seiner Flora und Fauna auch Auswirkungen auf die benachbarten Waldgebiete. Die dortige Insektenwelt bestand aus Libellen, Grashüpfern, Käfern, Termiten, Bienen und spektakuläre Schmetterlinge wie der über 20 cm große Kalligramma haeckei beweist. Teiche und Tümpel wurden von Wasserkäfern bewohnt, viele andere Insekten lebten in den Baumwipfeln oder am Waldboden.

Die Insektenwelt bestand, wie heute auch, aus einer bunten Vielfalt. In dieser Insekten Welt spielten Pflanzen eine wichtige Rolle, sie dienten schon damals als wichtige Futterquelle oder für den Fortbestand wichtig. Verschiedenste Insekten die für die Zersetzung des pflanzlichen- und tierischen Materials zuständig waren, halfen bei der Beseitigung von organischem Material. Andere ernährten sich von Pilzen, wiederum andere Käfer spezialisierten sich auf Blütenpflanzen. Aquatisch lebende Insekten (Lauer- und Suchjägern) besiedelten Teiche, Seen, Bäche, Flüsse und sogar Brackwasserbereiche.

Diese Waldgebiete waren Jagdgebiet für kleine Saurier aus der Familie der Troodontidae, aber auch für kleine Pterosaurier (Flugsaurier) und bestimmt auch für Urvögel wie dem Archaeopteryx. Verborgen in diesen Wäldern lebten nachtaktiven Ursäuger wie das Teutonodon langenbergensis, das Jagd auf Insekten gemacht hat. Zum Beuteschema dieses Ursäugers gehörten zum Beispiel auch Großschaben wie die etwa 4 cm große Archimesoblatta.

 

Immer wieder lassen sich auf einzelnen Sedimentschichtflächen verschiedene Pflanzenteile finden. Häufig sind es aber Pflanzenhäcksel oder Zentimeter große Treibholzstücke. Manchmal finden sich auch Pflanzenteile noch im Zusammenhang, oder es kommen abgerollte Holzkohlestücke von ehemaligen Waldbränden vor, selten sind Pflanzensamen dabei. Holzkohlestücke finden sich vor allem in den Sandsteinablagerungen. Leicht kann man sich ein riesiges Arial einer abgebrannten Waldfläche vorstellen. Durch starke Regenfälle wurde Sediment und Holzkohle vom Boden mobilisiert und über Wasserläufe und Flüsse gelangt alles schließlich ins Meer.

Die Serpulit-Sedimente des Niedersächsischen Beckens wurden zur Ablagerungszeit von Süß-, Brack- und einer Hypersalinität bestimmt (KEMPER 1992). So lassen sich im gesamten Osnabrücker Raum Brackwasserablagerungen und Steinsalzpseudomorphosen nachweisen, jedoch keine Serpulit-Kalksteine. 

Pflanzenreste + KäferresteDer gesamte westliche und mittlere Teil des Niedersächsischen Meeres wurde zu einer sehr flachen Lagune, die fast frei von Wellengängen war und auch insgesamt sehr geschützt lag. So konnten sich überall typische Süßwasserkalke mit reichlich Insekten-Fossilien ablagern. Erst zur Bückeberg-Zeit kam es erneut zum Einströmen von Meerwasser was mit einem Meeresspiegelanstieg einherging. Es begann eine erneute, aber nur kurz andauernde Ingresessions-Phase. Damit verschwand langfristig der Sumpfwald im Osnabrücker Raum und der Weg für das Meerwasser in die Bentheimer Bucht war wieder frei.

Was dann vor 140 Mill. Jahren, in Phasen von Salz- und Süßwasser, im Bereich der Bentheimer Bucht nur eine monotone Fauna von Muscheln und Schnecken zuließen. Neben typischen Süßwassermuscheln der Art Unio und Myrene und der Sumpfdeckelschnecke Viviparus gab es auch massenhaft Muscheln der Art Neomiodon. Zum Ende des Berrias vor 138 Mill. Jahren kam es zu einer starken Meerestransgression in diesem Gebiet. Marine Organismen, wie Ammoniten, Hummer oder auch Austernmuscheln, traten jetzt in Erscheinung.

 

 

 

Käfer 1

Verschiedene Körperteile von Käfern (UNTENAbdomen-Rest (letzte Pleure mit Ostracode))

 
 
Käfer 3
  10 verschiedene Elytren von Käfern

1. + 3. Elytren  von aquatisch lebenden Käfern; 2. Linkes Elytrum eines Laufkäfers (?); 4. Rechtes Elytrum eines Borkenkäfers; 5. Elytrum eines Waldkäfers; 6. Elytrum eines Waldkäfers; 7. + 9. Elytren aus der Familie der Ommatidae; 8. Elytrum von Coptoclavella purbeckensis; 10. Elytrum eines Prachtkäfers;

 

 

Insekt 5
Rechtes Elytrum eines Borkenkäfers neben einem Koniferenrest

 

 

Käfer 2

 Links: Paarflügel eines Käfers; Rechts: Elytrum mit Auflösungserscheinungen durch Wassereinlagerung;

 

Archimesoblatta sp
  Rechter lederartiger Vorderflügel von Archimesoblatta sp..
In diesem Fall ein weibliches Tier, denn fast nur weibliche Schaben bilden Flügel zum Fliegen bzw. für den Gleitflug aus. Diese vorderen lederartigen Flügel bleiben im Wasser stabil und zerreißen nicht so schnell wie andere Hautflügel. Die Hinterflügel besitzen eine erheblich größere Fläche, weil bei ihnen der hintere Teil zu einem großen Analfächer erweitert ist (Bild 1 folgende Folie).
 
 
Insekten 30

Einige Insektenreste auf einem Stein.

Bild 1: hinterer Flügel einer Schabe (Archimesoblatta sp.); Bild 2: Körper eines Käfers (1,7 mm) im eigenen Deckflügel liegend, darunter Rest einer Flügelmembrane; Bild 3: Steingegenseite, oben linke Bildhälfte liegt der zweite Deckflügel vom Käfer (Bild 2);

 

Hemiptera - Flügelmembrane (3 mm) (Cicadellidae)
 Flügelmembran einer Zwergzikade (3 mm)

 

Verbreitung von Insekten
Die Verbreitung von Insekten erfolgte über den Landweg (rote Pfeile), aber bei einer Inselwelt wie in
diesem Fall, konnte auch ein Transport durch Wind (Sturm) erfolgen.

 

 

Das Gestein

Es handelt sich um limnische- im Wechsel mit siliziklastischen und von typisch brackischen und hypersalinaren Ablagerungen. Zu den limnischen Ablagerungsgesteinen zählen feinschichtige, kalkige Tonsteine und Kalkmergelsteine. Des Weiteren kommen noch feinschichtige Siltsteine mit der im Brackwasser des oberen Jura, in Massen vorkommenden Muschel Corbula inflexa vor. Bei den Ton-, Kalk- und Kalkmergelsteinen handelt es sich um feinschichtig-ebenplattige, zum Teil splittrig brechende, hellgraue Gesteine mit Lagen und dünnen Bändern aus Muschelschill. Vereinzelnd oder Lagenweise treten bis Zentimeter große Hohlräume auf, die dem Gestein ein porös und löcheriges aussehen geben. Häufig sind diese Hohlräume mit Pyrit-Würfel oder mit Calcit Kristallen gefüllt. Steinsalz-Pseudomorhposen im Kalkstein

Schichtflächen mit sehr viel Pyrit deuten auf Algenmatten hin. Auffällig ist der Horizont mit Stromatolithen, mal als dünnes Band oder in Kissenbildung.

Flüsse und Wasserläufe sorgten für einen permanenten kontinentalen Einfluss, so gelangten Silikat-Material, Pflanzenreste und Holzkohle in den Ablagerungsraum. Das terrestrische Material bildet dunkle Lagen zwischen den hellen Kalkmergel- und Kalksteinen. Einige Kalkmergelsteine weisen Wechselschichtungen auf, es sind Schichten von schwarzem Tonschiefer die auf einen hypersalinaren Ablagerungen hinweisen. 

Schichtweise kommen Schilllagen vor, hier sind es vor allem Muscheln aus dem obersten Jura und dem tiefen Berrias. Oft bestehen diese nur aus Bruchmaterial der Süßwassermuschel Myrene. Von weiteren Muscheln des Berrias, dazu gehören Unio, Mytilus und die Eomiodon (HUCKRIEDE, 1967), fehlt in diesen Kalksteinsedimenten jede Spur. Auffällig sind auch die vereinzelnd auftretenden Ostrakoden Lagen wie sie HARMS (1993) vom Butterberg beschreibt.

 

 

 

Gestein
Typische Gesteine des Münder-Mergels und des Serpulits im Osnabrücker Raum;
 
Fischreste
Verschiedene Wirbeltierreste aus verschiedenen Aufarbeitungshorizonten

 

Literatur

BININDA 1986: Cornbrash-Sande im zentralen Teil des Niedersächsischen Beckens. Osnabrücker Nat.Wiss.Mitt. 12:7-45;

HAACK 1933: Zur Verbreitung des Asselkrebses Archaeoniscus brodiei M. EDW. im Serpulit des Teutoburger Waldes. Ztr.Geol.Gesell. 85:229-234;

HUCKRIEDE 1976: Molluskenfauna mit limnischen und brackischen Elementen aus Jura, Serpulit und Wealden NW-Deutschlands und ihre paläogeographische Bedeutung. Geol.Jb. 77:1-263;

HARMS, 1993: Ein Aufschluß mit Osningsandstein, Bückeberg-Folge ("Wealden") und Serpulit am Butterberg bei Hagen a.T.W. (Landkreis Osnabrück, West-Niedersachsen). Osnabrücker Nat.Wiss.Mitt. 19:11-20;

KEMPER 1973: Das Berrias (tiefe Unterkreide) in NW Deutschland. Geol.Jb. A9: 47-67;

KEMPER 1976, 5. Aufl.: Geologische Führer durch die Grafschaft Bentheim. Bentheimführer 6-53;

KEMPER 1992: Die tiefe Unterkreide im Vechte-Dinkel-Gebiet. Staringia Stiftung 1-130;

KLASSEN, 2006: Zyklotheme in den Oxford- und Kimmeridge Ablagerungen des westlichen Niedersächsischen Becken. Osnabrücker Nat.Wiss.Mitt. 32:7-21;

KLASSEN, 2014: Sequenzlithologische Gliederung der Oberjura-Abfolge im westlichen Niedersächsischen-Becken. Osnabrücker Nat.Wiss.Mitt. 39/40:43-110;

SCHULTKA, 1991: Beiträge zur oberjurassischen Flora des Wiehengebirges. Geol.Pal.Westf. 19:55-93;  

 

Text Harald Rohe

Bericht von 12/2017

Letzte Aktualisierung: Dez 2021